Unwirksame VOB/B-Klauseln bei Entfall der Privilegierung gem. § 310 Abs. 1 S. 3 BGB

VOB/B-Klauseln: unwirksam ohne Privilegierung

Nur wenn die VOB/B als Ganzes vereinbart wird, gilt sie als ausgewogen, weil sie gleichmäßig Auftraggeber und Auftragnehmer gelegentlich besser, gelegentlich schlechter stellt. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 310 Abs. 1 S. 3 BGB angeordnet, dass Verträge, denen die VOB/B als Ganzes zugrunde liegt, nicht der Inhaltskontrolle einer AGB-rechtlichen Prüfung gem. §§ 305 ff. BGB unterzogen werden, obwohl einzelne Klauseln für die eine oder andere Partei nachteilig sind.

Wird in einem Bauvertrag die Geltung der VOB/B jedoch (auch noch so gering) modifiziert, entfällt diese Privilegierung. Die Gerichte sind dann befugt, sämtliche Klauseln der VOB/B auf ihre Wirksamkeit hin mittels AGB-rechtlicher Inhaltskontrolle zu überprüfen.

Für diesen Fall ist bei folgenden Klauseln von einer AGB-Widrigkeit auszugehen, sodass diese Klauseln mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einer entsprechenden Inhaltskontrolle keinen Bestand haben können:

1. Unwirksame VOB/B-Klauseln bei Verwendung der Klausel durch den Auftragnehmer:

  • § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B, Recht zur Auftraggeber-Kündigung:
    Teile der Rechtsprechung gehen davon aus, dass die Klausel gegenüber Verbrauchern unwirksam ist, weil im Vergleich zu den Rechten des BGB in § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B zusätzlich zur Fristsetzung die Androhung der Auftragsentziehung ausgesprochen werden muss.
    Gefahr der Unwirksamkeit: mittel
  • § 6 Abs. 6 VOB/B: Ausschluss des Anspruchs auf entgangenen Gewinn bei nur leichter Fahrlässigkeit
    Diese Klausel stellt eine klare Abweichung vom gesetzlichen Leitbild dar, weil sogar die fährlässige Verletzung von vertraglichen Hauptleistungspflichten haftungsfrei gestellt wird.
    Gefahr der Unwirksamkeit: hoch
  • § 12 Abs. 5 Nr. 1 und 2 VOB/B: Abnahmefiktion durch Zeitablauf nach Fertigstellungsanzeige
    Diese Klausel stellt eine klare Abweichung vom gesetzlichen Leitbild dar, weil die Abnahmefiktion auch dann „greift“ wenn der AN kein ausdrückliches Abnahmeverlangen erklärt hat.
    Gefahr der Unwirksamkeit: mittel
  • § 13 Abs. 4 VOB/B: Verkürzung der Verjährungsfristen des BGB
    Diese Klausel stellt eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 634 a BGB dar, wonach Mängelansprüche an Bauwerken in fünf Jahren verjähren. Die sei eine unzulässige Verkürzung der Verjährungsfristen und daher ein Verstoß gegen § 309 Nr. 8 b BGB.
    Gefahr der Unwirksamkeit: mittel
  • § 13 Abs. 7 Nr. 1-3 VOB/B: Keine Haftung des AN bei einfacher Fahrlässigkeit
    Diese Klausel stellt eine klare Abweichung vom gesetzlichen Leitbild dar, weil sogar die fährlässige Verletzung von vertraglichen Hauptleistungspflichten haftungsfrei gestellt wird.
    Gefahr der Unwirksamkeit: hoch
  • § 15 Abs. 3 S. 5 VOB/B: Anerkenntnisfiktion bei nicht zurückgegebenen Stundenlohnzetteln
    Diese Klausel stellt eine klare Abweichung vom gesetzlichen Leitbild dar, wonach dem „Schweigen“ kein Erklärungsgehalt zukommt. Diese Klausel stellt daher einen Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB dar.
    Gefahr der Unwirksamkeit: hoch
  • § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B: Fälligkeit der Schlusszahlung
    Diese Klausel stellt eine klare Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 641 Abs. 1 BGB dar, wonach mit Abnahme die Vergütung fällig wird und der Vergütungsanspruch zu verjähren beginnt. Hier bestimmt der AN mit Übergabe der Schlussrechnung den Beginn der Verjährungsfrist selbst und kann so die Verjährung verzögern.
    Gefahr der Unwirksamkeit: mittel

2. Unwirksame VOB/B-Klauseln bei Verwendung der Klausel durch den Auftraggeber:

  • § 2 Abs. 5 VOB/B, Preisanpassung nach Änderung des Bauentwurfs:
    Diese Klausel stellt eine klare Abweichung vom gesetzlichen Leitbild dar, weil §§ 650 b und c BGB in diesem Fall eine 30-tägige Einigungsfrist vorsehen und vor Ablauf der Frist der AN nicht zur Leistung verpflichtet ist.
    Gefahr der Unwirksamkeit: hoch
  • § 2 Abs. 10 VOB/B: Vergütungspflicht von Stundenlohnarbeiten nur nach vorheriger ausdrücklicher Vereinbarung
    Diese Klausel stellt eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 632 BGB dar, wonach mindestens die ortsübliche Vergütung geschuldet wird.
    Gefahr der Unwirksamkeit: mittel
  • § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B: Potenzielle Verlängerung der Verjährungsfrist für Mängel
    Diese Klausel stellt eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 634 a BGB dar, wonach Mängelansprüche an Bauwerken einheitlich in fünf Jahren verjähren. Durch diese Klausel kann die Verjährungsfrist für einzelne Mängel auf bis zu knapp sechs Jahre ausgedehnt werden. Auch ist nicht klar, ob diese Verlängerung mehrfach erfolgen kann, was wegen der verwenderfeindlichsten Auslegung unterstellt werden muss.
    Gefahr der Unwirksamkeit: mittel
  • § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 3 VOB/B: Neubeginn einer Zwei-Jahres-Frist für beseitigte Mängel
    Diese Klausel stellt eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 634 a BGB dar, wonach Mängelansprüche an Bauwerken einheitlich in fünf Jahren verjähren. Durch diese Klausel kann die Verjährungsfrist für einzelne Mängel auf über sechs Jahre ausgedehnt werden.
    Gefahr der Unwirksamkeit: mittel
  • § 16 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B: Frist zur Fälligkeit der Schlusszahlung
    Diese Klausel stellt eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 641 Abs. 1 BGB dar, wonach die Vergütung grundsätzlich nach Abnahme des Werkes sofort fällig ist und verstößt so gegen § 308 Nr. 1a, b BGB.
    Gefahr der Unwirksamkeit: mittel
  • § 16 Abs. 3 Nr. 2 bis 5 VOB/B: Ausschlusswirkung der Schlusszahlung
    Diese Klausel stellt eine klare Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 214 BGB dar, wonach Forderungen erst nach Ablauf der Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden können und benachteiligt den AN deshalb unangemessen.
    Gefahr der Unwirksamkeit: sehr hoch