Corona-Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für Baubeteiligte

Baustillstand in der Corona-Pandemie: Handlungsempfehlungen für Planer

Derzeit sehen sich viele Planer und Bauunternehmer vor die Situation gestellt, bei ihren Bauprojekten ihre Projektorganisationen aufrechtzuerhalten, da sich aus der Corona-Pandemie kein Leistungsverweigerungsrecht per se ergibt. Auch ein Anspruch auf eine Vergütungs- oder Honorarerhöhung wird sich in der Regel ergeben. In unserem Leitfaden finden Sie dazu baurechtliche und bauwirtschaftliche Handlungsempfehlungen.

Bauunternehmer müssen befürchten, dass sich ihr Baufortschritt aufgrund von Bauablaufstörungen bis hin zu Baustillständen erheblich reduzieren wird – sowohl wegen fehlender Nachunternehmer und Vorprodukte als auch wegen nicht einzuhaltender hygienischer Anforderungen und Abstandsregeln. Komplette Einnahmeausfälle sind denkbar.

Höhere Kosten bei Baustillständen

Die Ursache für die Kostenunterdeckung liegt darin, dass bei nahezu allen Bauverträgen die Baustellengemeinkosten, wie auch die Allgemeinen Geschäftskosten, als Umlage auf die Einzelkosten der Teilleistungen vergütet werden. Werden im Betrachtungszeitraum geringere als vorgesehen oder keine Leistungen erbracht, so entfällt der entsprechende Kostendeckungsanteil, während die zeitabhängigen Gemeinkosten beim Unternehmer in voller Höhe weiterlaufen.

Dies betrifft die übrigen Einzelkosten Lohn und Material nur in geringerem Maße, da die Möglichkeit für Lohnreduzierungen durch die aus öffentlichen Kassen vorgenommene Zahlung von Kurzarbeitergeld besteht. Wenn auf Baustellen kein Material mehr eingebaut wird, wird dies in der Regel zuvor auch nicht geliefert worden sein, sodass sich für die ausführenden Unternehmer auch hier keine erheblichen Mehrkosten ergeben werden. Zusätzlicher Aufwand für besondere Abwicklung und Organisation kann anfallen.

Längere Projektlaufzeiten für Planer

Planer haben mit längeren Projektlaufzeiten zu rechnen, insbesondere in der HOAI-Leistungsphase 8, Objektüberwachung. Auch hier laufen zeitvariable Kosten (bei Leistungsreduzierung auf den Baustellen) bei geringeren Einnahmen (wegen Vergütung der Objektüberwachung in Abhängigkeit von der erbrachten Bauleistung) weiter.

Daher beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen für Bauleistungen ausschließlich auf die Baustellengemeinkosten und die Allgemeinen Geschäftskosten. Die Planerleistungen der HOAI-Leistungsphase 8 werden auf der Grundlage modifizierter Leistungsbewertungen der entsprechenden SIEMON-Tabelle (als Vertreter verschiedener existierender Teilleistungstabellen) betrachtet.

Verweis auf höhere Gewalt in der Corona-Krise

Die meisten Auftraggeber werden die bestehende Projektorganisation aufrechterhalten wollen. Die Unternehmer wollen Baustellen, bei denen absehbar keine Gemeinkostendeckung mehr erreicht werden kann, mit Verweis auf höhere Gewalt oder unabwendbare Elementarereignisse stilllegen. Nachfolgegewerke können wegen fehlender Vorleistungen ihre Arbeit nicht fortsetzen oder gar nicht erst beginnen.

Folge der vorübergehenden Einstellung der Arbeiten ist bei VOB/B-Verträgen das Recht jeder Vertragspartei, nach 3 Monaten den Bauvertrag zu kündigen (§ 6 Abs. 7 VOB/B). Dies sollte vermieden werden. Angesichts der zukünftigen Unwägbarkeiten sollte dieser Zeitraum durch Vereinbarung der Vertragsparteien verlängert werden, z. B. auf 12 Monate. Der Bauunternehmer profitiert bei einer solchen Fristverlängerung von einer Erhöhung der Auftragssicherheit nach Reduzierung der Krisensituation.

Neuvergaben und Insolvenzen vermeiden

Von einer Verlängerung der 3-Monats-Frist profitiert auch der Auftraggeber. Er wird in vielen Fällen zeit- und kostenaufwändige Neuausschreibungen und -vergaben vermeiden können. Bei Neuausschreibungen begonnener und abgebrochener Leistungen bestehen besondere Schwierigkeiten, den vorhandenen Leistungsstand so zu beschreiben, dass hierauf eine qualifizierte Vergabe ohne das Risiko erheblicher Nachtragsleistungen und die Leistungserbringung ohne das Risiko erheblicher Schnittstellenprobleme erfolgen kann.

In weiteren Fällen besteht das Risiko, dass sich kein Unternehmer finden wird, der die von einem anderen Unternehmer begonnenen Arbeiten beendet. Dies gilt insbesondere für Leistungen der Technischen Ausrüstung.

Ziel des Leitfadens ist es, den Vertragsparteien einen Ansatz zu liefern, bei dem die Aufhebung des jeweiligen Vertragsverhältnisses vermieden wird und die Leistungserbringung und Erfüllung der Verträge, im Sinne eines kooperativen und pragmatischen Ansatzes, von beiden Parteien gewollt wird. Ziel der angestrebten Konfliktvermeidung ist auch die Vermeidung von zukünftigen juristischen Auseinandersetzungen.

Vergütungsmodelle für Baustillstände

Schwerpunkt der Ausführungen im „Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für Baubeteiligte“ ist die Darstellung eines Vergütungsmodells für den Zeitraum mit eingeschränkter Bautätigkeit oder Baustillstand wegen der Corona-Pandemie. Das Berechnungsmodell deckt beide Fallgruppen ab.

In den Berechnungsbeispielen wurden Parameter ausgewählt, die in der derzeitigen Situation angemessen erscheinen. Die vorgestellten Rechenmodelle sollen das wirtschaftliche Überleben von Bauunternehmen und Planern unterstützen. Die Insolvenz von Bauunternehmen und Planern kann nicht im Interesse der Auftraggeber liegen.

Phasen und Berechnungsansätze für Bauverträge

Ungestörter Bauablauf
Beim ungestörten Bauablauf verläuft die Bauleistung nach der Phase des Baubeginns über einen längeren Zeitraum (idealisiert) auf höherem Niveau, bevor die Leistung zur Fertigstellung wieder abnimmt.

Gestörter Bauablauf
Es sind verschiedene Zeitpunkte einer Leistungsstörung möglich,

  • vor oder während des Beginns der Leistungserbringung
  • während der Hauptleistungsphase und
  • zum Ende der Leistungserbringung.

Die verschiedenen möglichen Zeitpunkte von Leistungsstörungen erfordern differenzierte Reaktionen. Einer zu Beginn der Leistungserbringung eingetretenen Leistungsstörung kann eher mit einer vorübergehenden Einstellung der Arbeiten oder einer einvernehmlichen Vertragsauflösung begegnet werden als zum Ende der Leistungserbringung.

Gestörter Bauablauf während der Corona-Pandemie

Der gestörte Bauablauf lässt sich in die folgenden Phasen unterteilen:

  • Phase vor Eintritt der Störung
  • Phase unmittelbar nach Eintreten der Störung
  • Eingeschränkte Bautätigkeit oder Baustillstand
  • Wiederaufnahme der Arbeiten (bei vorangegangenem Stillstand)
  • Verschobene Leistungserbringung

1. Phase vor Eintritt der Störung
Ist die Corona-verursachte Störung noch nicht eingetreten, so werden sich die Vertragsparteien mit ihren Handlungsalternativen nach Eintritt der Störung zusammensetzen und Vertragsanpassungen für die Zeit nach dem erwarteten Eintritt vorbereiten oder vereinbaren.

Zu diesen Regelungspunkten gehören u. a.

  • Vereinbarungen zur Dokumentation der Störungsursachen, des Leistungsstandes und der Leistungsbereitschaft der Vertragsparteien (Anwesenheiten auf der Baustelle)
  • Vereinbarungen zu finanziellen Ausgleichszahlungen während der Phase mit reduzierter Leistungserbringung oder mit Stillstand
  • Vereinbarungen zu Leistungspflichten bei der Wiederaufnahme der Arbeiten
  • Vereinbarungen zur Phase mit verschobener Leistungserbringung.

2. Phase unmittelbar nach Eintreten der Störung
Unmittelbar nach Eintreten der Störung sind deren Ursachen zu dokumentieren (Tatbestand als solcher und Gründe für die Abwesenheit von Personal und/oder das Ausbleiben von Materiallieferungen, Verletzung von Hygiene- und Abstandsregeln). Die Frage der Kostentragung der Leistungsstands-Dokumentation ist zu klären. Die hälftige Aufteilung oder die Übernahme der jeweils in der eigenen Projektorganisation entstehenden Kosten sind Ansätze.

3. Eingeschränkte Bautätigkeit oder Baustillstand
Spätestens in der Phase mit eingeschränkter Bautätigkeit oder mit Stillstand ist zwischen den Vertragsparteien eine Regelung über den zukünftigen Bauablauf zu vereinbaren.
Die Parteien haben sich gegenseitig unverzüglich über die Änderung ihrer Leistungsbereitschaft zu informieren (Erkrankungen und Quarantänen im Beschäftigtenkreis, absehbar eintretende Materialengpässe). Hierzu wird das dem Leitfaden beigefügte Rechenmodell vorgeschlagen.

4. Wiederaufnahme der Arbeiten
Die Phase der Wiederaufnahme der Arbeiten beginnt mit der Aufforderung des Auftraggebers zur Wiederaufnahme der Arbeiten und endet zum vertraglich zu vereinbarenden Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Arbeiten. Durch vertragliche Vereinbarung muss die künftige Leistungserbringung (Wiederaufnahme) sichergestellt werden.

5. Verschobene Leistungserbringung
Preisänderungen sind abhängig von der Dauer der Verzögerung bzw. des Stillstands, die derzeit kaum abschätzbar ist. Zusätzlich ist die konjunkturelle Situation zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Arbeiten bzw. zum Zeitpunkt des Wegfalls der wesentlichen pandemiebedingten Beschränkungen zu berücksichtigen.

6. Berechnungsansätze für Planerverträge
Bei Planerverträgen ist zwischen den HOAI-Leistungsphasen der Planung (LPH 1 – 5), der Ausschreibung und Vergabe (LPH 6-7) und der Objektüberwachung (LPH 8) zu differenzieren.
Bei Planerverträgen wird in den Leistungsphasen 1-7 kein Ansatz für eine Vergütung zeitvariabler Honoraranteile gesehen.

Die verringerte Leistungserbringung (oder der Leistungsstillstand) in der Leistungsphase 8 wird von den Auswirkungen für den Objektüberwacher her ähnlich wie die verzögerte Leistungserbringung für Bauunternehmen bewertet.

Quelle

Dieser Text ist ein Auszug aus dem „Leitfaden zum Umgang mit rechtlichen und bauwirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zur wirtschaftlichen Abwicklung von Bauprojekten“ (Bauwirtschaftlicher Teil von Henning Hager).

Weitere Informationen vermitteln unsere Seminare zum gestörten Bauablauf.