Kein Nachtrag zum Nachtrag!

Nachtragsvereinbarungen sind so auszulegen, dass alle damit zusammenhängenden Mehrkosten abschließend geregelt sind.

Wenn der Auftragnehmer (AN) bei Abgabe seines Angebotes für nachträgliche Leistungen den Vorbehalt zur  Geltendmachung von bauzeitabhängigen Mehrkosten nicht ausdrücklich ausspricht, kann er keine weiteren – über die Vereinbarung hinausgehenden – bauzeitabhängigen Mehrkosten verlangen. Grundsätzlich gelten Nachtragsleistungen als offensichtliche Behinderungen im Sinne des § 6 Abs. 1 VOB/B.

Daher kann der Auftraggeber (AG) darauf vertrauen, dass bei Beauftragungen umfangreicher Leistungsnachträge die bauzeitbedingt entstehenden Mehrkosten umfasst sind. Dies gilt auch für Beschleunigungsmaßnahmen. Folglich sind Nachtragsvereinbarungen in aller Regel abschließend, es sei denn, der AN macht deutlich, dass die zusätzliche Vergütung oder Erstattung von bauzeitabhängigen Mehrkosten in dem Nachtragsangebot nicht enthalten sind. (OLG München, Urteil vom 26.06.2012, BGH, Beschluss vom 5.06.2014).

Dem AN fällt es oft schwer, die hohen Anforderungen an die bauablaufbezogene Darstellung seiner Mehrkostenforderungen gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B 2012 bzw. Entschädigungen aus § 642 BGB wegen Bauzeitverzögerungen oder Beschleunigungen zu erfüllen. Er muss konkret nachweisen, dass die Bauzeitverlängerung aus der Verantwortungssphäre des AG resultiert  und daraus die geltend gemachten Mehrkosten für die Bauzeitverlängerung begründet sind.

Im Einzelnen sind zur erfolgreichen Geltendmachung der Entschädigungsansprüche nach

§ 642 BGB folgende Nachweise erforderlich:

Darlegung der Verletzung einer dem AG obliegenden Mitwirkungspflicht,

  • den Annahmeverzug des AG,
  • die Dauer des Annahmeverzuges,
  • Grundlagen der Entschädigung, die auf der vertraglich vereinbarten Vergütung basiert
  • Nachweis über die Mehrkosten für die Bauzeitverschiebung durch Bereithaltung von Arbeitskräften, Geräte-Stillstandzeiten, Wagnis und Gewinn, die nicht über die ursprüngliche Kalkulation und die Nachträge abgegolten sind,
  • Vorlage der Bau-Grobablaufplanung mit Ressourcen, d.h. welche Teilleistungen waren in welcher Zeit mit welchem Arbeitskräfteeinsatz geplant und kalkuliert. Die Darstellung muss der Überprüfung standhalten, wonach die kalkulierte Bauzeit mit dem vorgesehenen Einsatz der Angebotskalkulation eingehalten worden wäre.

Praxistipp

Die AN müssen lückenlos dokumentieren und ihren Meldepflichten rechtzeitig nachkommen. Entscheidend ist die zeitnahe und schlüssige Anzeige der Behinderungstatbestände und deren finanzielle, zeitliche und organisatorische Auswirkungen.

Für die Darlegung der Mehrkostenansprüche aus Leistungsnachträgen nach § 2 bei einem VOB/B Vertrag und für die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen nach den §§ 6 Abs. 6 VOB/B und § 642 BGB sind die Vorlage der Kalkulationsunterlagen, eines Bauzeitenplanes bezogen auf Teilleistungen sowie Material- und Personaleinsatzplanung unentbehrlich. Wir zeigen Ihnen Methoden und Werkzeuge, wie Sie Ihre Leistungsnachträge rechtssicher aufstellen können. 

Kein Nachtrag zum Nachtrag!

Wir unterstützen Sie bei der Darlegung und Feststellung zusätzlicher Kosten durch Bauablaufänderungen und prüfen und bewerten die bauzeitabhängigen Kosten. Der AN muss die bauzeitabhängigen Mehrkosten vollständig und detailliert in seinem Nachtragsangebot aufschlüsseln. Nachtragsvereinbarungen gelten als abschließende Regelungen. Ohne Vorbehalt ist die Geltendmachung aller damit zusammenhängender bauzeitabhängiger Mehrkosten ausgeschlossen.

München, im Oktober 2016

Urteil OLG Brandenburg vom 18.02.2016 – 12 U 22/14

Urteil OLG München vom 26.06.2012- 9 U 3604/11 Bau, BGH, Beschluss vom 5.06.2014 – VII ZR 212/12 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)