Mängelbeseitigungen im Bauwesen – ein folgenschweres BGH-Urteil

Die Grundsätze für die Berechnung von Schadenersatz wegen Baumängeln wurden auf völlig neue Füße gestellt. Dies ist mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 22. Februar 2018 geschehen. Sie bewirkt ein Erdbeben, da die Geltendmachung fiktiver Mängelbeseitigungskosten bei Werkverträgen zukünftig ausgeschlossen ist.

Für Werkunternehmer hat diese Entscheidung Vorteile, stellt Rosina Sperling, Geschäftsführerin der BVM BauVertragsManagement GmbH fest:
„Es war schon immer fragwürdig, dass Besteller unverhältnismäßig hohe fiktive Mängelbeseitigungskosten für unbedeutende Mängel geltend machen konnten, die Mängel aber mit diesem Geld nicht behoben werden mussten. Die Besteller durften das Geld stattdessen einfach behalten und zweckentfremdet verwenden. Damit ist jetzt Schluss. Der Besteller soll vorranging sein Recht zur Mängelbeseitigung geltend machen.“

Worum geht es im neuen BGH-Urteil zu Mängelbeseitigungen?

Bisher konnten Besteller für die Beseitigung von Baumängeln, die die Gebrauchstauglichkeit nur unwesentlich einschränkten, teure Mängelbeseitigungskosten geltend machen. Häufig entschieden sich die Besteller dann aber, mit dem nicht störenden Mangel zu „leben“ und das Geld aus dem Schadenersatz anderweitig zu verwenden.

Dieser „Überkompensation“ ist der BGH radikal entgegengetreten. Verlangt der Besteller einen Schadenersatz in Geld, ist in Zukunft nur noch der tatsächliche Minderwert im Vermögen des Bestellers maßgeblich – also die mangelbedingte Wertminderung am Gebäude des Bestellers. Vor Gericht wird das zu erheblichen Beweisproblemen führen, da der Besteller für die konkrete Ermittlung des Wertes des Bauwerks mit und ohne Mangel oft teure und langwierige Wertgutachten vorlegen muss.

Mängelansprüche bewältigen – wer übernimmt Verantwortung?

  1. Der Besteller entscheidet zunächst, ob er die Mängelbeseitigung vom Werkunternehmer im Wege der Nacherfüllung verlangen will.
  2. Weigert sich der Unternehmer, den Mangel zu beseitigen, kann der Besteller die Mängelbeseitigung nach erfolgloser Fristsetzung selbst vornehmen. Behält der Besteller das Werk und lässt die streitgegenständlichen Mängel selbst beseitigen, kann er die voraussichtlich hierfür benötigten Kosten der Ersatzvornahme im Wege einer Kostenvorschussklage geltend machen.
  3. Dieses Recht kann der Besteller auch dann noch ausüben, wenn er zunächst Schadenersatz statt der Leistung verlangt hat. Insbesondere das Recht, einen Vorschuss auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend zu machen, wird durch das vorausgegangene Schadenersatzverlangen nicht berührt. Der Besteller muss im Anschluss die zweckgemäße Verwendung nachweisen.
  4. Der Besteller entscheidet, das Werk zu behalten und den Mangel nicht zu beseitigen. In diesem Fall kann der Besteller nur den Minderwert des Werkes als Schadenersatz verlangen, der durch einen Vermögensvergleich des Bauwerks mit und ohne Mangel ermittelt wird. Um den Minderwert zu ermitteln, muss der Besteller ein teures und zeitaufwändiges Immobilienwertgutachten einholen.
  5. Alternativ zur Minderwertermittlung durch Gutachten kann der Besteller das Bauwerk weiter veräußern, ohne den Mangel vorher zu beseitigen. Der Besteller kann dann vom Auftragnehmer statt der Leistung Schadenersatz in Höhe des mangelbedingten Mindererlöses beim Verkauf verlangen.
  6. Als letzte Möglichkeit kann der Besteller die Vergütung des Unternehmers für die mangelhafte Ausführung der Werkleistung mindern. Hierbei wird der Wert der Werkleistung bei mangelfreier und mangelhafter Ausführung verglichen und die Vergütung des Unternehmers entsprechend quotal gekürzt.

Ist ein Schaden auf die im Bauwerk verwirklichten Planungs- oder Überwachungsfehler zurückzuführen, können die Überlegungen 1. bis 6. herangezogen werden. Danach ist die Schadensbemessung auch im Verhältnis zum Architekten daran auszurichten, welche Dispositionen der Besteller zur Schadensbeseitigung trifft.

Haben die Beteiligten – Architekt und Bauunternehmer – ihre Pflichten mangelhaft erfüllt, müssen sie gemeinsam für die Mängel am Bauwerk einstehen (ggf. in unterschiedlicher Höhe) und den hierdurch entstandenen Schaden ersetzen.

Fazit

Die Besteller, die Mängelbeseitigungsarbeiten nicht durchführen wollen, können fiktive Mängelbeseitigungskosten nicht mehr geltend machen. Die Feststellung und Berechnung der Höhe des Schadenersatzes wegen nicht beseitigter Baumängel wird in der Baupraxis erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen. Die Bemessung des Schadens an den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen (Netto-)Mängelbeseitigungskosten ist jedenfalls rechtlich nicht länger zulässig.

Nach dem gesetzlichen Leitgedanken sollte der Besteller der tatsächlichen Mängelbeseitigung den Vorrang einräumen. Der Besteller mit einem mangelbehafteten Bauwerk soll wirtschaftlich nicht bessergestellt werden als der mit einem mangelfreien.

Mängel am Bau – wichtige Urteile

  • BGH vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17
  • BGH, Urteil vom 21.06.2018, VII ZR 173/16
  • BGH, Beschluss vom 5.07.2018, VII ZR 35/16

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