Schwierige Abrechnung ohne gemeinsames Aufmaß!

Vermeiden Sie Streit bei der Abrechnung der Bauleistungen durch eine gemeinsame Leistungsfeststellung

Die Verpflichtung zur Durchführung von Zustandsfeststellungen und eines gemeinsamen Aufmaßes ergibt sich aus der bauvertraglich geltenden Kooperationsverpflichtung der Vertragsparteien. Die für die Abrechnung erbrachter Leistungen notwendigen Feststellungen sind vom Auftraggeber und Auftragnehmer möglichst gemeinsam vorzunehmen (§ 14 Abs. 2 VOB/B). Dies gilt umso mehr, wenn der Zustand von Teilen der Leistung durch die weitere Ausführung des Bauvorhabens der Prüfung und Feststellung durch die Vertragsparteien entzogen wird (§ 4 Abs. 10 VOB/B) oder der Bauvertrag gekündigt wurde (§ 8 Abs. 6 VOB/B)

Grundsätzlich gilt, dass der Auftragnehmer im Bestreitensfall beweisen muss, dass die mit der Rechnung geltend gemachten Leistungen tatsächlich erbracht sind. Haben die Vertragsparteien ein gemeinsames Aufmaß über die vom Auftragnehmer erbrachten Leistungen nicht durchgeführt, kann der Auftragnehmer gleichwohl anhand seiner eigenen Feststellungen eine Abrechnung der erbrachten Leistungen dem Auftraggeber vorlegen. Der Auftraggeber kann allerdings die Ergebnisse der Abrechnung des Auftragnehmers anzweifeln und damit die vom Auftragnehmer geltend gemachte Vergütung für die nach seinem Aufmaß erbrachten Leistungen verweigern. Den Auftragnehmer trifft in diesem Fall die Beweislast dafür, dass die in seiner Rechnung geltend gemachten Arbeiten tatsächlich erbracht sind.

Kommt es – aus welchen Gründen auch immer – nicht zu einem gemeinsamen Aufmaß der vom Auftragnehmer erbrachten Leistungen, etwa weil der Auftraggeber seine Mitwirkung verweigert, hindert dies den Auftragnehmer nicht, einseitig die von ihm erbrachten Leistungen abzurechnen.

Dabei ist folgendes zu beachten:

Bleibt der Auftraggeber dem gemeinsamen Aufmaßtermin fern und ist ein neues Aufmaß oder eine Überprüfung des einseitig genommen Aufmaßes nicht mehr möglich, weil die Arbeiten durch nachfolgende Gewerke verdeckt oder durch Drittunternehmer fertiggestellt werden, dann muss der Auftraggeber beweisen, ob die Massen richtig erfasst sind oder die vom Auftragnehmer angesetzten Massen unzutreffend sind. Der Auftraggeber kann das vom Auftragnehmer genommene Aufmaß nicht deswegen bestreiten, weil er an dem gemeinsamen Aufmaßtermin nicht teilgenommen hat. Allerdings kann der Auftraggeber die Richtigkeit des einseitig genommen Aufmaßes solange bestreiten, als unter zumutbaren Bedingen ein neues Aufmaß noch erstellt oder das einseitig genommene Aufmaß überprüft werden kann.

Nachträgliche Einwendungen gegen die richtige Anwendung der vereinbarten Aufmaßbestimmungen bleiben auch bei gemeinsamem Aufmaß unberührt.

Praxistipps der BVM

  1. Im Zusammenhang mit § 4 Abs. 10 VOB/ empfiehlt es sich, gleichzeitig mit der Zustandsfeststellung auch die notwendigen Aufmaße für die Abrechnung der erbrachten Leistungen vorzunehmen. In § 14 Abs. 2 VOB/B wird dem Auftragnehmer auferlegt, rechtzeitig gemeinsame Feststellung zu beantragen, wenn seine Leistungen bei der Weiterführung der Arbeiten nur noch schwer feststellbar sind.
  2. Dem Auftraggeber ist schriftlich das Verlangen auf gemeinsame Abrechnung während der Bauzeit innerhalb einer angemessene Frist (ca. 14 Tage) zu übermitteln.
  3. Vorsorglich ist der Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass im Falle der Verweigerung der Durchführung der geforderten gemeinsamen Feststellungen für das Aufmaß nach ständiger Rechtsprechung die Umkehr der Beweislast gilt.
  4. Da im Streitfall sowohl die Konstellation denkbar ist, dass der Auftragnehmer bei Fernbleiben des Auftraggebers die Richtigkeit des Aufmaßes darlegen muss, als auch der Auftraggeber beweispflichtig sein kann, empfiehlt sich, bei einseitig vorgenommenem Aufmaß  einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen hinzuzuziehen, der in einem Gutachten die erbrachten Leistungen erfasst.

Aktuelle Urteile zu fehlendem gemeinsamen Aufmaß

OLG Bamberg, Beschluss vom 17.05.2016 – 4 U 196/15
OLG Frankfurt, Beschluss vom 9.09.2013 – 6 U 187/12, BGH, Beschluss vom 10.09.2015 – VII ZR 312/13 Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
OLG Naumburg, Urteil vom 30.11.2017 – 1 U 18/08, BGH, Beschluss vom 20.12.10 – VII ZR 216/07 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
BGH, Urteil vom 27.07.2006 – VII ZR 202/04
BGH, Urteil vom 22.05.2003 – VII ZR 143/02

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